Auf dem Weg zum Bodensee bremsen wir einen schweren Regensommer. Auf der Autobahn sieht man kaum ein paar Meter weit. Kurz bevor Leutkirch die rettende Idee kommt. Ist hier nicht die Härle-Brauerei? Vielleicht können wir den Sturm mit einem stärkenden Ansatz oder sogar mit einem Brauereibesuch überbrücken? Die Stadt Leutkirch in Allgäu bietet ein malerisches, idyllisches Stadtzentrum mit vielen inhabergeführten Geschäften und reichlich lokaler Kolonie. Viel Glück drehen wir das Auto an einem Ort und machen uns zu Fuß mit Regenschirm und Windjacken auf der Suche nach einer einladenden Gastronomie. Ganz schnell finden wir uns in der Lammgasse: ein gemütliches Gasthaus mit grünen Rollläden, ein Haus vor und vorbei mit efeu und ein leider völlig verwaister Inngarten hat sich geöffnet und an einem Board gerade an der Eingangstür werden die aktuellen Mittagsgerichte bereits beworben. Wunderbar! Die lange Tradition dieses Gasthauses ist von innen zu sehen: altes wiederverkunketes Parkett, Holzwandverkleidung, ein dicker Fliesenherd als Raumteiler, klassisches Gasthausmöbel – aber mit persönlicher Note. Jeder charmante gealterte Tisch hat eine Anordnung mit einer orientalischen Metallplatte, einer gelben Rose und einem Teelicht. Zu diesem Zweck gedämpftes Licht und ruhig glatte Rockmusik von unserer Jugend. Ein Blick auf die abgehende Wochenkarte ist erstaunt: Hier gibt es unbekannte Gerichte wie Koreshte Fesenjan oder Borani Badendschan. Die Auflösung: der Gastgeber Aziz Rahimi hat afghanische Wurzeln und bietet neben einem Grundbestand an Salatvariationen und verschiedenen warmen Seelen erfreuliche exotische Freuden wie Basmati Reis mit Berberry, Entenkeule mit Granatapfel Nussoße oder Joghurt mit frischem Koriander. Natürlich auch sehr Habhaftes wie Rindfleischeintopf, Auberginengerichte und Fleischwürfel. Wir wählen Coreshte Säfte ba Alu Rindfleisch und Lamm hacken mit einer Soße von Pflaumen, Tomaten und gelben Linsen auf Basmati Reis) für ca. 12 Euro, sowie eine halbe Seele mit Käse für etwa 4 Euro. Das orientalische Gericht überzeugt mit einer harmonischen Mischung aus herzhaften Wulsten, würziger Soße und sehr feinem Reis, angenehm geschmackvoll und total sättigend. Die Hälfte der Seele ist mit starken Käse und Gurken und Tomatenscheiben gefüllt, kurz erwärmt und megacnusprig. Im gehofften Härle-Bier muss jedoch der Gastgeber enttäuscht werden: Es gibt keine alkoholfreie Variante – so nehmen wir als Autofahrer einen Seedünger, ein bio-refresh Getränk aus Gerstemalz, Wasser und Obst kommt auch von Härle. Mein Favorit hier ist der Geschmack Träuble =Johannisbeere). Das schmeckt nach Sommer und Kindheit und kommt etwas Retro in der Bügelflasche. Aber zum ersten Mal eine heiße Zitrone 3 Euro). Es ist gut, dass das Gasthaus noch die Zitrone an der Vase selbst ausquetscht. Im Allgemeinen überzeugt das Gasthaus mit Wärme und Güte, mit Offenheit und Freundlichkeit, mit Ruhe und Agilität. Als Gast fühlen Sie sich sofort willkommen und gerettet, können ganz Nachmittage aufhängen, während der Regen auftaucht und Sie können durch die veröffentlichten Zeitschriften, Zeitungen, Eventflyer und Broschüren durchsuchen, um Vorschläge für die kommenden Tage zu erhalten. Im lockeren Gefieder mit dem Wirt wissen wir auch, dass es kein alkoholfreies Härle-Bier gibt, aber der Kopf der Brauerei nimmt sein Mittagessen hier. Damit kommen wir auch in Diskussion und finden viele Kontaktpunkte, denn mit seinem Vater, der leider spät war, saßen wir oft auf Messen zusammen. Was für ein Zufall! Die Brauerei ist auch um die Ecke – aber der räumende Himmel erinnert uns daran, aufzubrechen und eine Sightseeing-Tour muss zum nächsten Mal verschoben werden. Dieser spontane Stopp in Leutkirch hat sich zu einem spannenden und auch kulinarischen Nachmittag entwickelt. Wir freuen uns, zurückzukommen und sind schon neugierig, was die wöchentliche Karte für uns hält. Die Swabian-Afghan Crossover Küche hat ihren Charme!
